Wednesday 19 November 2014

Halbsynthetische Fasern / Semi-synthetic fibers

Da anscheinend Interesse besteht zu dem Thema, wie halbsynthetische Fasern gewonnen werden, möchte ich hier zusammentragen, was ich darüber gelesen habe. Deshalb gibt es diesen Post auf Deutsch, damit er für meine deutschsprachigen Ravelry-Forums-Kolleginnen gut verständlich ist :)

Besonders unter SpinnerInnen sind Fasern wie Bambus, Soja, Maisfaser, Milchseide, Tencel, Seacell, etc. sehr beliebt. Sie werden häufig in Mischungen mit verschiedenen Wollsorten angetroffen, können aber auch jeweils pur verarbeitet werden.

Was bedeutet "halbsynthetisch"?


Grundsätzlich kommen die Rohstoffe für diese Fasern aus der Natur, aus Pflanzenteilen oder bei Milchseide aus Milch. Um diese Rohstoffe jedoch in feine, spinnbare Fasern zu verarbeiten, braucht es viele Aufbereitungsschritte und auch einiges an "Chemie".
Das fertige Produkt ähnelt den ursprünglichen Rohstoffen nicht mehr, und diese Fasern kommen auch so wie sie am Ende versponnen werden nicht in der Natur vor.

Dennoch sind diese halbsynthetischen Fasern mit den Naturfasern (Wolle von verschiedenen Tieren, Seide, Baumwolle) näher verwandt als mit vollsynthetisch hergestellten Fasern wie Acryl.
Dies liegt an ihrer chemischen Struktur, denn die halbsynthetischen Fasern ähneln den Naturfasern chemisch gesehen, während die vollsynthetischen sich von ihnen sehr stark unterscheiden.

Zur chemischen Struktur von Fasern


Alle Fasern (natürlich vorkommende, halbsynthetische und vollsynthetische) bestehen aus "Polymeren", das heisst aus langen Ketten von Molekülen, bei denen die gleiche Einheit immer wieder hintereinander hängt. Diese Einheit nennt man "Monomer".


Der Unterschied zwischen den Faserarten besteht darin, dass sie aus verschiedenen Monomeren bestehen.

Grob gibt es zwei Einteilungen:

1. Proteinfasern (Eiweissfasern).
 Die Monomere sind Aminosäuren. Es gibt 20 natürliche Aminosäuren, und je nachdem welche in der Faser aneinanderhängen, ergeben sich ganz unterschiedliche Eigenschaften. Am Bild ist das durch die Sternchen veranschaulicht. Sie stehen für verschiedene chemische "Bauteile" (Substituenten).

Zu den Proteinfasern zählen alle tierischen Haare und Wollen, sowie Seide.
 Halbsynthetische Fasern die ebenfalls Proteinfasern sind: Sojaseide, Milchseide, Ingeo-Maisfaser. Man nennt diese "regenerierte Proteinfasern", weil die Proteine aus dem Rohstoff herausgelöst werden, und dann wieder in Faserform zurückgewonnen, also "regeneriert" werden.




2. Cellulosefasern.
 Das Monomer ist D-Glucose (Traubenzucker). Diese Ketten können verschieden substituiert sein und unterschiedlich lang, bzw. verzweigt, was wiederum ganz unterschiedliche Eigenschaften ergibt.

Auf Cellulose basieren alle pflanzliche Fasern wie Baumwolle, Leinen, Ramie und Bastfasern aus beliebigen Pflanzen.
 Halbsynthetische Fasern die Cellulose-basiert sind:
Viskose (aus Bambus, oder Viskosen aus anderem "Holz"), sowie Lyocell (Tencel und Seacell).


Gewinnung von  halbsynthetischen Fasern

Um den Prozess ganz grob zu umschreiben: Die Pflanzenteile werden erst zu einer Art "Brei" verarbeitet, und mit verschiedenen Chemikalien modifiziert, filtriert, gebleicht... etc. bis eine "Spinnmasse" erhalten wird, die eine Lösung der gewünschten Fasern in einem Lösungsmittel darstellt. Diese Spinnmasse wird dann durch enge Düsen (Spinndüsen) in eine zweite Flüssigkeit gepresst, in welcher sich die Fasern nicht lösen, und somit als Filamente (dünne Fäden) ausfallen.
Diese werden dann aus der Flüssigkeit heraus gefischt und dann weiter gewaschen und verarbeitet ähnlich wie Wolle, um eine Art Kammzug zu erhalten.


Am ältesten (1892) und bekanntesten ist das Viskose-Verfahren, mit dem Fasern aus Zellstoff (aus Holz von Buchen, Fichten, Eukalyptus, Bambus) gewonnen werden.
Dieses Verfahren ist sehr gut und detailliert beschrieben auf dieser Seite der FU Berlin.
Beim Viskose-Verfahren werden giftige Chemikalien verwendet bzw. freigesetzt (Schwefelkohlenstoff und Schwefelwasserstoff).
Die so gewonnenen Fasern werden dann als Viskosen oder Rayon bezeichnet.

Etwas weniger umweltbelastend ist das modernere Verfahren (seit den 1990er Jahren), dessen Endprodukt Lyocell/Tencel genannt wird. Lyocell wird auch aus Zellstoff (aus Holz) gewonnen, bei der Produktion wird ein relativ ungiftiges organisches Lösungsmittel (NMO, N-Methylmorpholin-N-oxid) eingesetzt, um den Zellstoff aufzulösen. Das Spinnbad, in dem die Fasern ausfallen ist eine Mischung dieses Lösungsmittels mit Wasser.
Seacell ist ebenfalls Lyocell, mit einem Anteil an Zellstoff der aus Algen gewonnen wurde.



Die regenerierten Proteinfasern werden auf ähnliche Weise gewonnen, wobei auch Chemikalien eingesetzt werden um die Proteine aus den Rohstoffen (Milch, Soja, Mais, oder auch Erdnüsse) aufzulösen, und anschliessend in einem Spinnbad wieder auszufällen. In den USA hergestelle regenerierte Proteinfasern werden als Azlon bezeichnet.
Grossindustriell werden diese Fasern weniger verarbeitet, weil sie nicht so reissfest sind wie die aus Cellulose. Von der chemischen Struktur her sind sie jedoch als Proteinfasern sehr stark verwandt mit Wolle oder Seide und können daher auch mit den gleichen Säurefarben eingefärbt werden.

Ich hoffe, dass euch diese Aufstellung etwas weiter geholfen hat, und freue mich, wenn sie weiter ergänzt wird :) Falls ihr Fragen habt, könnt ihr mir die natürlich gerne stellen.

2 comments:

  1. Wow, danke, das war ein sehr sehr interessanter Einstieg in das Thema. Gerne würde ich noch mehr über die ökologischen Belastungen beim Herstellen der Fasern erfahren, ein wenig hast du ja schon angedeutet. Hast du eventuell weitergehende Links? Die Sprache wäre erstmal egal.
    VG Anke

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    1. Hallo Anke, leider habe ich nicht viel mehr Informationen zu den genauen Herstellungsprozessen. Eventuell könnte man in der Patentliteratur stöbern... hmmm falls ich irgendwann mal mehr weiss, werde ich vielleicht wieder einen Blogpost dazu schreiben :) Liebe Grüsse, Anna

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